Kurzbiografie
Franz von Sales ist geboren zu Thorens in Savoyen im Jahre 1567. Nach humanistischen Studien in La Roche und Annecy widmete er sieben Jahre dem Studium der Rhetorik und Philosophie in Paris, weil sein Vater es so bestimmte, und der Theologie, weil er damals schon entschlossen war, Priester zu werden. Dann studierte er in Padua bürgerliches und kirchliches Recht, wieder aus Gehorsam gegen seinen Vater, und krönte seine Studien mit dem Doktorgrad beider Rechte; nebenher vertiefte er seine theologischen Kenntnisse.
Im zähen Ringen erlangte er schließlich von seinem Vater die Zustimmung zu dem von ihm seit langem erwählten Beruf und empfing im Jahre 1593 die Priesterweihe. Schon vom nächsten Jahr an wirkte er an der Missionierung der Provinz Chablais, bis ihn sein Bischof 1597 zu seinem Koadjutor erwählte. Nun folgte eine Reise nach Rom und ein längerer Aufenthalt in Paris, der für die aszetische Entwicklung des Heiligen von größter Bedeutung war.
Nach dem Tod des Bischofs Granier empfing er 1602 die Bischofsweihe. Er führte den Titel "Fürstbischof von Genf", residierte aber in der kleinen Stadt Annecy. Dort gründete er 1610 den Orden von der Heimsuchung Mariä, 1622 starb er zu Lyon, wurde 1661 selig- und 1665 heiliggesprochen. Im Jahre 1877 erhob ihn Pius IX. zum Kirchenlehrer, 1923 erklärte ihn Pius XI. zum Patron der katholischen Schriftsteller.

Die Bedeutung des Heiligen
Sie ist so vielseitig, daß es nicht möglich ist, mehr als eine unvollständige Skizze davon in diesem Rahmen zu geben.
Der Missionar bekehrte in mehrjähriger schwerer Arbeit, unter den größten Schwierigkeiten, wiederholt durch Mörderhand mit dem Tode bedroht, eine ganze Provinz zum katholischen Glauben. Bemerkenswert ist nicht nur sein heldenhafter Mut und die Zähigkeit (eineinhalb Jahre hatte er so gut wie keinen Erfolg), sondern auch die Vielseitigkeit der modern anmutenden Mittel, die er dabei anwandte (Predigten in der Kirche und im Freien, öffentliche Streitgespräche, Flugschriften, Plakate, nächtliche Aussprachen) und die liebenswürdige, menschlich feine Art seines Umgangs auch mit seinen Gegnern, die ihm schließlich die Achtung und Zuneigung aller gewann.

Der Bischof
Unerhörte Arbeitsleistung und edle Volkstümlichkeit kennzeichnen sein Wirken. Er predigt bei jeder Gelegenheit, hält selbst Katechesen für die Kinder, hört viele Stunden Beichte in seiner Kathedrale und auf seinen Visitationsreisen, beseitigt energisch Mißstände im Klerus und unter den Gläubigen. Der Zugang zu ihm steht allen offen, in seinem Haus in Annecy wie auf seinen Reisen. Seinem Klerus gibt er klare Weisungen für die Seelsorge, vor allem durch das Beispiel seiner Heiligkeit und seines unermüdlichen Eifers. Bei seinem Tod ist sein Bistum umgewandelt, bildet ein festes unerschütterliches Bollwerk gegen Irrtum und Unglauben. Doch dieses Bistum genügt seinem Eifer nicht.
Er gilt als der beste Kanzelredner seiner Zeit. Paris, Toulouse, Dijon, Chambèry und andere Städte wollen ihn hören. Er schlägt keine Einladung ab, das Wort Gottes zu verkünden, und überall sind seine Kanzel, sein Beichtstuhl und Sprechzimmer umlagert. In seinen Predigten entwickelt er die katholische Lehre ruhig, schlicht, in herzgewinnender Weise. Selten spricht er gegen den protestantischen Irrtum, und doch bekehren sich viele Irrgläubige; so überzeugend wirkt die lichtvoll dargelegte Wahrheit. Was er wollte, hat er selbst einem berühmten Zeitgenossen erklärt: alloqui hominem, den Menschen ansprechen. In dieser herzlichen Zwiesprache mit seinem Hörer wie in der Heiligkeit des Predigers liegt wohl das Geheimnis der Durchschlagkraft seiner Rede.

Der Seelenführer
Viele von denen, die er bekehrt oder denen er die Notwendigkeit eines christlichen Lebens erschlossen hat, bitten ihn um Rat. Er antwortet gern. Trotz seiner aufreibenden Tätigkeit findet er noch Zeit, täglich viele Briefe zu schreiben, darunter ganze Abhandlungen. Nach den eidlichen Aussagen seiner Hausgenossen gehen Tag für Tag 20 bis 25, manchmal auch 40 bis 50 Briefe von seiner "Werkstatt", wie er selbst scherzhaft sagt, hinaus. So verbreitet und vertieft sich der Einfluß ins Unendliche, den er durch seine Predigten gewonnen. Franz von Sales ist nicht nur einer der glänzenden Brief-Stilisten seiner Zeit, sondern vor allem ein Meister der Seelenführung. Liebevoll versenkt er sich in jede Seele, die ihm ihren Zustand, ihren guten Willen und ihre Not offenbart; jede leitet er mit großer Ehrfurcht vor ihren gottgegebenen Anlagen, vor der Gnadenführung des Heiligen Geistes und der "Freiheit der Kinder Gottes". Seine Seelenführung ist von hohen Grundsätzen getragen, sie bildet ein System von seltener Geschlossenheit, geht immer auf das Ganze, verlangt von jedem das Äußerste, dabei wirkt sie aber nie knechtend, verengend oder bedrückend.

Der Schriftsteller
Ein Teil seiner Briefe, die Ratschläge für das religiöse Leben erhalten, geht von Hand zu Hand; man bittet den Heiligen, sie der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Daran dachte er selbst schon länger. So erscheint 1609 die "Anleitung zum frommen Leben", allgemein bekannt unter dem Titel "Philothea". Einige Jahre später (1616) erscheint ein zweites Meisterwerk aus seiner Hand, die "Abhandlung über die Gottesliebe"; darin entwickelt er die philosophischen und theologischen Grundlagen seiner Frömmigkeit, in der Schilderung des Aufstiegs der Seele, des Gebetslebens und der Willensvereinigung mit Gott beschreibt er auch die höheren mystischen Zustände, in der begnadete Seelen von Gott erhoben werden.
Diese zwei Bücher bilden die Bände 3 bis 5 der großen kritischen Ausgabe der Werke des hl. Franz von Sales, die zu Annecy von den Schwestern der Heimsuchung herausgegeben wurde. Band 1 und 2 sind Verteidigungsschriften der katholischen Kirche aus seiner Zeit als Missionar. Band 6 enthält die "Geistlichen Gespräche", die der Heilige mit seinen Töchtern von der Heimsuchung hielt, von den Schwestern gewissenhaft nachgeschrieben und nach seinem Tod veröffentlicht. Die Bände 7 bis 10 enthalten Predigten des Heiligen, die er selbst niedergeschrieben oder skizziert oder seine Zuhörer aufgezeichnet haben. Die Bände 11 bis 21 enthalten die Briefe, die aus der gewaltigen Korrespondenz des Heiligen auf uns gekommen sind, die Bände 22 bis 26 kleinere Schriften des Heiligen. Ein Ergänzungsband steht noch aus.

Der Patron der Schriftsteller
Pius XI. erklärt in seiner Enzyklika vom 26. Januar 1923, inwiefern Franz von Sales den Schriftstellern Vorbild sein muß: "Sie müssen die mit Mäßigung und Liebe verbundene Kraft des hl. Franz von Sales in der Auseinandersetzung nachahmen und sich an sie halten. Denn der Heilige mahnt sie ausdrücklich, was ihre Aufgabe ist: daß sie nämlich die katholische Lehre mit aller Sorgfalt erforschen und nach Kräften beherrschen.; daß sie die Wahrheit nicht entstellen noch abschwächen oder verschweigen unter dem Vorwand, Anstoß bei den Gegnern zu vermeiden; daß sie selbst sorgfältig auf eine anmutende Form der Sprache bedacht sind, die Gedanken durch lichtvolle Ausdrucksweise so schön und schmuckvoll darstellen, daß die Leser Freude an der Wahrheit finden; wenn sie aber gegen jemand Stellung nehmen müssen, sollen sie es verstehen, die Irrtümer zurückzuweisen, aber stets so, daß sie sich als Männer rechter Seelenverfassung als vor allem vom Geist der Liebe getrieben erweisen."

Der Kirchenlehrer
Schon zu Lebzeiten genoß er den Ruf eines Kirchenvaters, wie Zeitgenossen bezeugen. Die Brevier-Lesung besagt von ihm: "Durch seine himmlische Lehre enthaltenden Schriften hat er die Kirche erleuchtet, er zeigt einen sicheren und ebenen Weg zur Vollkommenheit." Die Päpste Alexander VII, Klemens IX, Benedikt XIV. und andere feierten einmütig die hohe Autorität seiner Lehre. Es blieb nur noch die Krönung dieser Ausnahmestellung unter den katholischen Schriftstellern vorzunehmen durch die Erhebung zum Kirchenlehrer, die Pius XI. vollzog durch sein Breve vom 16. November 1877, in dem er feierlich erklärte: "Die erste und unbedingt notwendige Eigenschaft für einen Kirchenlehrer ist, daß in seinen Schriften eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende, himmlische Lehre erscheine, die durch den Reichtum und Glanz ihrer Beweiskraft auf die ganze Kirche neues Licht werfe und eine Heilsquelle für alle Gläubigen sei. Dieses Verdienst und dieser Ruhm gebühren in reichem Maße den Büchern des Bischofs von Genf."

Der Ordensstifter
Franz von Sales ist der Vater eines der ruhmreichsten Orden der Kirche, des Ordens der "Töchter der Heimsuchung Mariä" (im deutschen Sprachraum gern "Salesianerinnen" genannt), der sich schon zu seinen Lebzeiten rasch entwickelte, nach seinem Tod in wenigen Jahren über die ganze katholische Welt ausbreitete, wunderbare Früchte der Heiligkeit hervorbrachte und hervorbringt. Einer Tochter dieses Orden, der hl. Margareta Maria Alacoque verdankt die Kirche die Verbreitung der Verehrung des heiligsten Herzens Jesu und damit den reichen Segen, der sich durch diese Verehrung über die gläubige katholische Welt ergießt. Auch heute noch ist dieser Orden von jugendlichem Leben und Eifer getragen und eine der herrlichen Zierden der katholischen Kirche.

Der Heilige
Die Kirche hat ihn in feierlicher Weise zu einem ihrer großen Vorkämpfer und Vorbilder erklärt. Es genüge hier, das Zeugnis zweier Heiliger anzuführen, des hl. Vinzenz von Paul und der hl. Johanna Franziska von Chantal; beide erklärten, Franz von Sales sei das lebendige Ebenbild des Heilands gewesen.

Die Werke des hl. Franz von Sales
Wie schon gesagt wurde, hat der Heilige relativ wenige Werke geschrieben und selbst herausgegeben: "Die Anleitung zum frommen Leben" (Philothea) und die "Abhandlung über die Gottesliebe" (Theotimus), die "Verteidigung der Kreuzesfahne" und einige kleinere Schriften. Trotzdem umfaßt die neue kritische Ausgabe seiner Werke 26 Bände, ein 27. Band ist in Vorbereitung. Von vielen tausend Briefen, die er geschrieben, sind mehr als 1800 erhalten und füllen 11 stattliche Bände; zwei Bände enthalten seine selbst geschriebenen Predigten und Predigtentwürfe, vier Bände kleinere, zumeist noch nicht veröffentlichte Schriften und Notizen, ein band die von ihm niedergeschriebenen, aber nicht als Buch veröffentlichten "Kontroversen".
Gesammelte Werke des heiligen wurden bald nach seinem Tod veröffentlicht. Im 19. Jahrhundert gab zunächst Blaise (1821) die gesammelten Werke des Heiligen heraus, dann Vivès (1856-1858), schließlich Migne (1861). Diese Ausgaben sind freilich mit vielen Mängeln und Fehlern behaftet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entschloß sich das Kloster der Heimsuchung zu Annecy zu einer vollständigen und kritischen Ausgabe der Werke des hl. Franz von Sales; von 1892 bis 1937 erschienen die einzelnen Bände nach gründlicher Vorbereitung. Diese große Ausgabe liegt unserer deutschen Übersetzung zugrunde.

Deutsche Ausgabe
Die wichtigsten Werke des hl. Franz von Sales wurden bald nach seinem Tod auch ins Deutsche übersetzt, davon die "Anleitung zum frommen Leben" in ungezählten Auflagen. In neuester Zeit gab Otto Karrer in vier Bänden ausgewählte (stark gekürzte) Schriften des hl. Franz von Sales (im Verlag J. Pfeiffer) heraus, eine andere geplante Sammlung der Schriften des hl. Franz von Sales ist nur bis zu zwei Bänden gediehen.
Die jetzt vorliegende kritische Ausgabe der Werke des Heiligen ermöglicht nun eine deutsche Ausgabe der Werke des Heiligen, die seiner Bedeutung entspricht. Die großen Werke des Heiligen wurden nach der Ausgabe von Annecy übersetzt und ungekürzt wiedergegeben, die "geistlichen Gespräche" nach der neuesten kritischen Ausgabe von 1930. Von den Predigten wird eine Auswahl getroffen, ebenso von den Briefen und den kleineren Abhandlungen. Diese Auswahl wird aber bestrebt sein, nichts Wesentliches von der Lehre des Heiligen zu übergehen und als Ganzes ein klares Bild des Seelenführers, Seelsorgers und Bischofs geben.
Die Bände 1 und 2 dieser deutschen Ausgabe sind schon früher in mehreren Auflagen erschienen. Sie sind nun (teilweise verbessert) in die Sammlung aufgenommen und erscheinen in gleicher Ausstattung wie die übrigen Bände.

Wer sich eingehend mit Franz von Sales und seinem Lebenskreis befassen will, dem empfehlen wir die im gleichen Verlag erschienenen Werke:
Hans Berghuis, NICHT SO SEHR ALS MENSCH. Franz von Sales - der liebenswürdige Heilige, Eichstätt 1992.
Peter Ebner, DIE LIEBE GENÜGT. Franz von Sales-Erzählungen, Eichstätt 1995.
Dirk Koster, FRANZ VON SALES, Eichstätt 2002.
Etienne-Jean Lajeunie, FRANZ VON SALES - Leben, Lehre, Werk, Eichstätt, 2. Auflage 1980.
André Ravier, WORAN FRANZ VON SALES GLAUBTE, Eichstätt 1992.
Franz Wehrl, FRANZ VON SALES ZWISCHEN DEN FRONTEN, Eichstätt 2000.